Experimentelle Archäologie: Herstellung von römischem Fensterglas in der Römischen Glashütte in der RömerWelt am caput limitis am 11.08.2024

Experimentelle Archäologie: Herstellung von römischem Fensterglas in der Römischen Glashütte in der RömerWelt am caput limitis am 11.08.2024

 

Brücken, Straßen, Wasserleitungen oder den Limes als befestigte Außengrenze – das fällt uns spontan ein, wenn wir über technische Leistungen der Römer reden. Aber Fensterglas? Gab es das schon vor gut 2.000 Jahren? Ja, das gab es sogar in Massen, denn ohne Glasfenster wären die Badegebäude der Antike überhaupt nicht nutzbar gewesen. Aber nicht nur in prächtigen öffentlichen Gebäuden, sondern auch in einfachen privaten Bauten war Fensterglas zu römischer Zeit der Standard. Zahlreiche Funde von römischen Fensterglas-Scherben belegen dies.
Das frühe römische Fensterglas, das ab der Zeitenwende eingesetzt wurde, unterscheidet sich deutlich vom heutigen: Die grünlichen römischen Fundstücke sind auf der einen Seite schön glänzend, auf der anderen Seite rau und matt, auch sind sie unregelmäßig dick und weisen oft deutliche Werkzeugspuren auf. Im Rheinland sind quadratische Fensterscheiben mit 16 bis knapp über 30 cm Kantenlänge nachgewiesen. Deutlich größere Einzelscheiben sind die Ausnahme. Größere Fenster wurden mit Holzsprossen als Segmentfenster zusammengesetzt. Dieses als typisch römisch geltende frühe Fensterglas wurde ab dem 3. Jahrhundert n. Chr. durch das im sogenannten Zylinderblasverfahren hergestellte Fensterglas verdrängt. Während dieses Verfahren heute noch bekannt ist war lange Zeit die Herstellungstechnik des frühen Fensterglases eine offene Forschungsfrage.
Nach Analyse der an römischen Fundstücken sichtbaren Werkzeugspuren war offensichtlich, dass die seit gut 100 Jahren kursierende These der Herstellung durch Gießen in einen mit Sand bestreuten oder gewässerten Holzrahmen nicht haltbar war. Stattdessen entwickelten die englischen Glasmacher Mark Taylor & David Hill anhand dieser Werkzeugspuren eine Methode, bei der ein Glasfladen mit Pinzetten und Maurerkellen manuell in Form gezogen und geschoben wird. Dieser Formprozess erfordert mehrmaliges Nachheizen im Glasofen, wozu eine hitzebeständige Unterlage und ein langstieliger Schieber erforderlich sind.

Nachheizen im Glasofen (M-DSC09799.jpg ©2024 Manuela Arz)

Die Römische Glashütte in der RömerWelt am caput limitis ist eine der ganz wenigen Glashütten weltweit, in der diese einstmals vergessene und nun experimentalarchäologisch wiederentdeckte Technik gezeigt wird. Hier sind nicht nur mehrfach im Jahr entsprechende Vorführungen für Besucher möglich, sondern es wird im Rahmen von Thementagen genau das Fensterglas hergestellt, das für die Rekonstruktion einer römischen Latrine im Außenbereich des Museums erforderlich ist. Obwohl der hier rekonstruierte holzbefeuerte Glasofen sehr klein ist und nur eine kleine Schmelzschale für Glas enthält eignet er sich nicht nur zur Herstellung von geblasenen Glasgefäßen, sondern auch zur Fensterglas-Herstellung. Im Rahmen dieser zeitweisen Serienfertigung konnten bereits weitere Erkenntnisse über diese Herstellungsmethode des „Manuell gezogenen Fensterglases“ gewonnen werden. So wird mittlerweile ein analog zu den Werkzeugabdrücken selbst entwickeltes und in der Schmiede der RömerWelt am caput limitis hergestelltes Spezialwerkzeug für das Ziehen des heißen Glases verwendet. Die Ergebnisse der Römischen Glashütte werden in Vorträgen präsentiert und international mit den entsprechenden Spezialisten diskutiert und evaluiert.

Formen des Fensterglases mit Pinzette und Maurerkelle (M-DSC09842.jpg ©2024 Manuela Arz)

Mit dem Fensterglas-Projekt trägt die Römische Glashütte in der RömerWelt am caput limitis nicht nur zur experimentalarchäologischen Erforschung der Verarbeitungstechniken von Glas bei, sondern unterstützt auch die Erforschung und publikumsnahen Vermittlung der „Manuellen Glasfertigung“ als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Die nächste Herstellung von Fensterglas ist für den 11.08.2024 geplant.

Frank Wiesenberg, 7.08.2024

 

 

Kontakt:

Römische Glashütte
in der RömerWelt am caput limitis
Arienheller 1
56598 Rheinbrohl
http://www.roemischeglashuette.de
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

 

 

Fotonachweis:

M-DSC09842.jpg ©2024 Manuela Arz
Recht zur Veröffentlichung liegen der Römischen Glashütte vor

M-DSC09842.jpg ©2024 Manuela Arz
Recht zur Veröffentlichung liegen der Römischen Glashütte vor

 

 

Weiterführende Informationen:

… zur Herstellungstechnik:
http://blog.roemischer-vicus.de/index202407.htm#31c

… zum Spezialwerkzeug:
http://blog.roemischer-vicus.de/index202407.htm#31d

… mit Literaturangaben:
http://www.glasrepliken.de/p_artikel_fensterglas.htm